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Der Unterschied zwischen Wissenschaft und Alltagsmeinungen

Wir versuchen alle Informationen über unseren Mitmenschen zu sammeln und zu ordnen, damit wir Voraussagen über sie machen können. Diese Voraussagen oder Alltagsmeinungen dienen letztendlich zur Kontrolle – wir wollen vorhersagen können, wie sich jemand verhalten wird, wenn wir ein gewisses Verhalten zeigen, damit wir das für uns erwünschte Ergebnis bekommen können. Es kann zum Beispiel sein, dass ein Mann die Alltagsmeinung hat, „fleißiges Arbeiten wird in der Regel belohnt“. Diese Meinung ist Teil seiner Strategie, um den Wunschzustand „mehr Geld von dem Chef bekommen“ zu erreichen. Die Strategie wird dann von ihm ausgeführt, in dem er viele Stunden arbeitet. Bekommt er eine Gehaltserhöhung wird seine Alltagsmeinung befestigt. Wenn dies nicht passiert, dann wird er wahrscheinlich seine Alltagsmeinung anpassen, damit sie der Realität noch übereinstimmt, z.B. „fleißiges Arbeiten wird in der Regel belohnt, aber nur wenn der Chef vernünftig ist“.

Wir bilden alle auf diese Art Ursache-Wirkungs-Modelle, wo die Wirkung das erwünschte Ergebnis ist und die Ursache das Verhalten, das wir zeigen müssen, ist. Durch den Prozess der Verallgemeinung (Alltagsmeinungsbildung) machen wir diese Modelle und Informationen verfügbar für Verwendung mit vielen anderen Menschen, mit denen wir im Kontakt kommen. Wir müssen nicht für jede Person ein neues Model schaffen, sondern wir können durch unsere Typisierung wissen, was für ein Mensch das ist und das entsprechende Verhalten aussuchen, z.B. „alle guten Vorgesetzten sind über fleißige Mitarbeiter erfreut“.

Es gibt dann Ähnlichkeiten zwischen Alltagsvorhersagen und der professionellen Persönlichkeitsforschung, die sich eine wissenschaftliche Methodik bedient. Beide beschreiben ein gewisses Verhalten, versuchen Grunde und Ursachen für dieses Verhalten zu finden, um dementsprechend dieses Verhalten in neuen Situationen und Kontexten vorhersagen zu können und Einfluss darauf zu nehmen. Der Unterschied liegt darin, dass wir (bzw. der Laie) für den Alltag auf Effizienz und Schnelligkeit ausgelegt sind und deswegen laufen unsere Prozesse zur Persönlichkeitsmodellbildung erstens zum größten Teil unbewusst und zweitens sehr ungenau. Man hat z.B. ein Regel, wie „alle Engländer haben einen schwarzen Humor“, obwohl man diese Hypothese bei vielleicht einer Handvolle Leute „ausprobiert“ hat.

Ein wissenschaftlicher Ansatz (bzw. Methode) betont andererseits, dass Informationen zu einer gewissen Fragestellung systematisch (z.B. die gleiche Methode wird bei jedem Probanden in einer Testgruppe gleich ausgeführt, um Daten zu erheben) gesammelt werden und dass Forscher wesentlich genauer, objektiver und strenger (im Vergleich zu einer Alltagsmeinung) in der Überprüfung ihrer Hypothesen sein sollen. Bei der Auswertung und Interpretation von Daten sollte man versuchen Fehlerquellen zu reduzieren und Objektivität und Verlässlichkeit (Reliabilität) zu gewährleisten, z.B. wenn mehrere Personen die Ergebnisse auswerten, dann sollten sie unabhängig von einander auf die gleichen Schlussfolgerungen und Interpretationen kommen. 

Dieses führt auf ein ganz wichtiges Prinzip bei einer wissenschaftlichen Methodik zurück, dass womöglich man versuchen sollte, Beobachterbias auszuschließen, denn Beobachter, so wie alle Menschen, subjektive Erwartungen, Wünsche und Motive usw. haben und diese Bias kann zu Verzerrungen in der Erkenntnisgewinnung führen. Ein Beispiel: ein Unternehmen will die Bereitschaft der Mitarbeiter, die eigenen Produkte zu empfehlen messen. Alle Mitarbeiter bekommen eine Umfrage wo sie Fragen beantworten müssen, auf eine Skala von 1 bis 10, wie hoch ihre eigene Bereitschaft ist. Da die Firma es leider nicht weiß, wie eine wissenschaftliche Methodik aussieht, haben alle Beobachter (die Führungskräfte) selbst Bonus-gebundene Ziele, diese Werte möglichst anzukurbeln. Das Ergebnis: Mitarbeiter werden von den Führungskräften mit finanziellen Konsequenzen bedroht, wenn die Ergebnisse nicht passen und natürlich pendelt schließlich die angebliche Durchschnittsbereitschaft zwischen 9 und 10!

Die Begriffe Theorie und Hypothese spielen auch eine wichtige Rolle bei der wissenschaftlichen Methode. Unter Theorie wird die Verknüpfung eines Phänomens mit zusammenhängenden Konzepten und Aussagen verstanden. Zum Beispiel, wissenschaftliche Versuche, die Intelligenz zu messen, stützen sich stark auf der jeweiligen Theorie und Definition von Intelligenz bzw. die Dimension der Intelligenz, die man zu messen versucht. Überdieskönnen unterschiedliche Testwerte einer Person in verschiedenen Intelligenztestverfahren oder Subtests eines Tests nur unter Rückgriff auf die jeweiligen Intelligenzmodelle interpretiert werden. Zum Beispiel, will man „allgemeine Intelligenz“ messen, dann würde man einen Test, wie die Raven Progressive Tests benutzen, die sich auf die Theorie von der allgemeinen Intelligenz von Spearman stützen.

Theorien haben als Basis Hypothesen, die überprüfbare Ursache-Wirkungs-Aussagen sind, z.B. Spearmans Hypothese der allgemeinen Intelligenz postulierte, dass alle Leistungen, die wir vollbringen stützen sich auf einer Generalfaktor der Intelligenz, den Spearman der g-Faktor (oder Grundintelligenz bzw. allgemeine geistige Energie) nannte.

Damit man anderen ermöglicht, andere Experten überprüfbare Ursache-Wirkungsaussagen (bzw. Vorhersagen) zu machen, wie zum Beispiel über den g-Faktor der Intelligenz, standardisiert man Begriffe, Konzepte und auch das Testverfahren. Dies hat die Wirkung, dass Begriffe und Konzepte spezifisch werden, und dass einheitliche und nachvollziehbare Maßstäbe zur Datensammlung und Erkenntnisgewinnung benutzt werden, z.B. alle Probanden bekommen dem gleichen standardisierten Fragebogen. Dies gewährleistet Objektivität und Reliabilität bei dem Testverfahren, sowie bei der Auswertung und Interpretation von Ergebnissen.

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