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Die Phänomenologische Methode als Wissenschaftsverfahren

Die Phänomenologie sowie sie von Edmund Husserl begründet wurde, hat als Ausgangspunkt der Begriff des Bewusstseins. Ein zentrales Konzept ist die Intentionalität, die als Notwendigkeit für das Existent des Mentalen (des Bewusstseins) und das strukturierte Handeln angesehen wird. Es wird argumentiert, dass Bewusstsein immer auf einen Inhalt bzw. Objekt gerichtet ist und dass Bewusstsein ohne einen Bezug auf einen Gegenstand unmöglich ist. Die phänomenlogische Methode sieht daher vor, dass eine (phänomenlogische) Untersuchung immer das „Objekt“ berücksichtigen sollte, auf das das Bewusstsein gerichtet (bzw. intendiert) ist.

Objekte können prinzipiell alles sein, worauf das Bewusstsein gerichtet ist, sei das ein Gegenstand oder auch eine komplexe innere Erlebnis, wie Freundschaft, Liebe, Angst usw. Zu diesem Punkt sollte man auch merken, dass es eine Kritik des gerichteten (intentionalen) Bewusstseins ist, dass es wohl nichtintentionale mentale Zustände gebe, z.B. ein allgemeines Unwohlsein, eine allgemeine Euphorie usw. Solche nichtintentionalen mentalen Zustände sind allerdings immer noch als bewusste (mentale) Ereignisse anzusehen. Es wird in diesem Sinne argumentiert, dass jeder mentale Zustand zumindest Intentionalität oder eine qualitative Empfindung als Eigenschaft haben muss.

Husserl meint weiters, dass es kein „reines“ Subjekt (Handelnder) und kein „reines“ Objekt gibt, d.h. ein bewusstseinstranszendentes (über dem Bewusstsein hinweg) „eigentlich An-Sich“ der Dinge gibt es nicht! Alle Gegenstände werden erst über einen Objektbezug (die Akte des Bewusstseins) konstituiert, d.h. sie bekommen erst dann einen Sinn oder eine Bedeutung. Daher ist das Objekt einer phänomenologischen Untersuchung nicht einfach ein Ding der äußeren Umwelt, sondern ist ein (gleichbleibendes Objekt) nur im Sinne der jeweiligen Bewusstseinsakte (und kann sich auch im Laufe dessen ändern) und dessen Bezug zu dem Objekt.

Jeder einzelne Gegenstand ist mit Zufälligkeit behaftet (keine zwei Gegenstände sind haargenau gleich). Wenn man zu dem Wesen des Objektes vordringen möchte, dass muss man das Notwendiger (das Gleichbleibende) in einem Objekt erfassen, z.B. die Farbe gelb ist eine notwendige Eigenschaft des Löwen. Durch die eidetische Vorstellung der verschiedenen „Objektwirklichkeiten“) in der Phantasie (eidetische Variation) lässt sich das Wesen des Objektes erkennen. 

Ein Beispiel: stellt man sich verschiedene Autos vor, dann ist das Gemeinsame oder Gleichbleibende (u.a.) dabei, dass sie vier Räder und ein Motor haben. Im Laufe dessen kommen allerdings auch andere Eigenschaften (Bewertungen, Vorurteile) dazu, die nichts mit dem wahren Wesen des Objektes zu tun haben, z.B. das Gemeinsame an Autos ist „schmutzig“, „teuer“ und „laut“.

Die phänomenologische Methode besagt daher, um den wahren Wesensgestalt eines Gegenstandes zu erkennen, müssen wir uns jeglichen (Vor-)Urteils ihm gegenüber enthalten (Eidetische Reduktion oder Epoché). Für eine wissenschaftliche Untersuchung ist eine theoretische Unvoreingenommenheit notwendig. Erst durch die Ausschaltung von allen Urteile, Meinungen, Einstellungen usw. erscheint die Welt in ihren tatsächlichen Strukturen.

Die Überlegung, dass man bei der Theorienbildung bzw. bei allen komplexen Erklärungsversuchen, das unmittelbar Erlebte nicht aus den Augen verlieren darf, ist allerdings leichter vertretbar als das Konzept, dass Phänomene mit dem Sein identisch sind. Es lässt sich argumentieren, dass Phänomene nur subjektive, psychische Schöpfungen sind, die sich vom objektiv Existierenden unterscheiden, bzw. sie sind ausschließlich ein Teil des objektiven Seins. 

Ein Beispiel: Ein Fernseher ist eigentlich rein visuell gesehen eine Sammlung von Linien und Kanten, die alle eine gewisse Farbe, Farbtone und Kontrast haben. Insofern haben sie in dieser Form keine Bedeutung (Sinn) bis sie intern wieder konstruiert (als zusammengehörend identifiziert), anerkannt, „etikettiert“ (als Fernseher) und einen Inhalt („damit kann man fernschauen“) zugeordnet wird. 

Wenn ich die Existenz anderer Ichs voraussetze, dann kann sich in ihren Weltdarstellungen eben etwas anderes befinden als in meiner Weltdarstellung. Wie Wittgenstein meinte: wenn ich und eine andere Person beide einen Käfer in einer Tasche haben, woher weiß ich, dass mein Käfer ident mit dem Käfer der anderen Person ist. Es könnte genauso gut sein, dass die Tasche der anderen Person leer ist.

Überdies läst sich auch der Phänomenologie vorwerfen, dass es nicht methodisch „diszipliniert“ ist: man kann keine nachvollziehbare, exakt wiederholbare äußere Operationen angeben (die ein zweiter Forscher nachholen kann), da das Verfahren aus Bewusstseinsleistungen (Akte der Selbstreflexion) besteht, und diese kann man in der Form einer Anleitung nicht dokumentieren und einer zweiten aufklären. Daher scheitert die Methodik an dem Anspruch der Prüfbarkeit. 

Wie dem auch sei, heißt dies längst nicht, dass die Phänomenologie der Wissenschaft nichts anzubieten hat. Das Problembewusstsein und die Erkenntnisse der Phänomenologie (z.B. dass man die Sachen voreingenommen bzw. vorurteilt ansieht und das Konzept der eidetischen Reduktion) sind sehr wichtig für eine allgemeine wissenschaftliche Horizonterweiterung. Darauf stützen sich einige wichtigen wissenschaftlichen Methoden. 

Ein Beispiel: im naturwissenschaftlichen Bereich die Beschreibung von biologischen Organismen, Symptome und pathologische Erscheinungsformen, die sich alle auf die deskriptive Phänomenologie basieren, wo es um eine qualitativ erschöpfende Beschreibung von Phänomenen, Charakteristika und Merkmalen, so wie es dem Betrachter auf der „Oberfläche“ erscheint.

 

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