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Daniel Sterns Theorie des Selbsterlebens

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Bei einem Säugling sind bereits in den ersten Monaten klar unterscheidbare Affekte vorhanden, die unter Beobachtung Emotionen wie Zorn, Trauer, Freude, Erschrecken, Ekel usw. zuordnen lassen. Sie sind in ihrem Verlauf und Intensität (z.B. sich langsam ausbreitend, rasch ansteigend usw.) unterscheidbar und noch vom Säugling kaum beeinflusst werden.

Psychoanalytiker Daniel Stern postulierte in seiner entwicklungspsychologischen Theorie des Selbsterlebens („Sense of Self“), dass der Motor der Entwicklung für den Säugling aus seiner Fähigkeit zu Empfinden sowie seiner Fähigkeit sich mit der Umwelt auseinanderzusetzen besteht. Das heißt, es ist die Interaktion mit der Umgebung, mit der Muter und mit anderen weiteren Personen, die zur Stimulation der Entwicklung beitragen.

Mit der Umwelt und anderen Personen zu interagieren und Einfluss darauf zu nehmen, lernt der Säugling rasch, und zwar über die Ausdrucksdimension seiner Affekte. Er lernt, dass wenn er schreit, die Mutter kommt und sich um ihn wendet. Wenn die Mutter nicht darauf eingeht, dann nach einige Zeit wird der Säugling mit dem Schreien aufhören and andere Wege suchen, sein Gefühle von Unwohl und Schmerzen zu bewältigen, z.B. Quengeln, Weinen. 

Erlebt er aber diese Erfahrung wiederholt, dann wird er im Laufe der Zeit weniger Vertrauen an seiner Bezugsperson entwickeln und dies kann negative Konsequenzen in seiner Entwicklung führen, z.B. das kann kein Selbstbewusstsein aufbauen, da es sich in der Welt ausgeliefert fühlt. Ein Kind mit einer unsicheren Bindung zu einer Bezugsperson wird grundsätzlich weniger Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen entwickeln wie Kinder, die eine sichere Bindung haben.

Stern redet von der grundlegenden Erlebnisform der „Selbstaffektivität“ (self-affectivity), die während dem 2.-3. Monat bis zu dem 7.-9. Monat stattfindet und die für den Säugling sehr prägend ist. Es entwickelt sich nämlich daraus eine ziemlich invariante Kernselbst, die relativ beständig ist und über weite Strecken des Kindes- und Erwachsenenlebens erhalten bleibt. Damit wird gemeint, dass die Erregung, Mimik und gefühlte Bedeutung einer bestimmten Emotion (d.h. der Affekt und seiner Akzent), wie Zorn, Freude usw., gegenüber spezifischen Personen, wie der Mutter, der Tante usw., über sehr lange Zeit relativ stabil ist.

Stern spricht von Affektabstimmung („affect attunement“ bzw. emotionalem Austausch) der Phase 7.-9. bis 15.-18. Lebensmonat des Säuglings. Der Säugling fängt an die Affekte (bzw. die Emotionalität) von anderen (besser) wahrzunehmen und wird zugleich mehr der eigenen Gemüte oder Affekte (bzw. Emotionen) bewusst. Mit dem Beginn Spracherwerbs bekommt der Säugling weiter Möglichkeiten, sich im Kontakt mit seinem Umfeld im Kontakt zu treten, sowie seine Affekte auszudrücken, z.B. durch das Rufen. Dies ist auch der Anfang des abstrakten Denkens, der Reflexion und der Benennung der Affekte, z.B. „ich bin glücklich/unglücklich“.

So ist eine neue Dimension in der Beziehung zu der Mutter (und anderen möglich), nämlich ein Zusammenspiel zwischen Kind und Mutter, bei dem Wahrnehmungen, Informationen und Empfindungen ausgetauscht werden (sog. Affektabstimmung). Dieser Austausch ist natürlich ein wichtiger Teil des Entwicklungsprozesses.

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